Das SegLn ist ein Kernelement, um die gesellschaftliche Teilhabe der FocusSuS zu fördern. Das neue Unterrichtsfach "selbstgesteuertes Lernen" wurde zu Beginn des aktuellen Schuljahres 2023/24 in der Primarstufe eingeführt und ist angelehnt an das "individuelle Lernen mit System" (Grunefeld & Schmolke). Es repräsentiert einen Wechsel vom traditionellen Unterrichtsmodell, in dem LuL die Hauptverantwortung für die Vermittlung neuer Inhalte trugen, hin zu einem Modell, in dem SuS zunehmend die Verantwortung ihres eigenen Lernprozesses übernehmen. Nach einem halben Jahr SegeLn sind wir an einem Punkt angekommen, wo dies zu großen Teilen bereits in SuShand liegt. Sie können ihre Inhalte teilweise nach eigenen Vorlieben und Neigungen wählen. Dieser Ansatz trägt der intrinsischen Motivation und der natürlichen Neugier der Kinder Rechnung und ermöglicht es ihnen, ihren Interessen und Neigungen nachzugehen. Die Selbstwirksamkeit erhält die Begeisterung des kindlichen Explorationsverhaltens und die SuS können ihre Potenziale entfalten (vgl. Gerald Hüther). In den aktuell fünf Wochenstunden, Ziel sind sieben bis neun, wählen die SuS selbständig den Raum, den Arbeitsplatz, woran und mit wem sie arbeiten wollen. In die SegeLn-Stunden fließen Inhalte aus dem Deutsch-, Mathematik- und Sachunterrichtslehrplan ein, die eigenständig erarbeitet und geübt werden. Die Focus-Schule hat hierfür Jahresarbeitspläne in fünf Stufen erstellt, auf deren Basis individuelle Arbeitspläne von den LuL erarbeitet wurden. Alle Arbeitspläne sind visuell, haptisch oder mit Hilfe von Anybookreadern auditiv so gestaltet, dass sie gut von den SuS dekodiert werden können. Es gibt keine Konkurrenz, denn jede:r SuS arbeitet an den individuellen Zielen mit anderen zusammen. Die Einführung des SegeLns wurde sorgfältig vorbereitet, indem bereits im letzten Schuljahr der spielerische Umgang mit ersten Materialien und das Üben von Ordnungsregeln eingeführt wurden. Letzteres ist für den Unterricht elementar, denn eine der Kompensationsstrategien von Kindern mit Sehbeeinträchtigung ist das Beibehalten von Ordnungsstrukturen, um Orientierung zu automatisieren und somit die Aufmerksamkeit zum Lernen zu lenken. Mit Beginn des Schuljahres wurde zunächst der Morgenkreis renoviert und findet seitdem mit allen PrimarstufenSuS statt. Es wurden das Arbeiten mit zunächst reduzierten Arbeitsplänen geübt, die neuen Funktionen der Räume erschlossen und die freie Platzwahl in den Räumen eröffnet. Nach einer Zeit der Gewöhnung wurden die Regeln für das SegeLn, wie freie Wahl des Raumes, der Sozialform und der Aufgaben, leises Arbeiten in Flüsterbereichen, SuS helfen SuS gemeinsam erarbeitet und aufgestellt. Ein unerwarteter Nebeneffekt der Neuerungen ist, dass die Hilfsmittelakzeptanz der SuS gestiegen ist. So gibt es nur eine begrenzte Zahl von Bildschirmlesegeräten in den Räumen und die SuS mit dem höheren Bedarf fordern diese nun ein. Ein weiterer Nebeneffekt ist das Zugehörigkeitsgefühl und die große Rücksichtnahme untereinander im Schulalltag. In der vorbereiteten Lernumgebung in Anlehnung an Maria Montessori finden die SuS alle benötigten Arbeitsmaterialien beschriftet und mit Farbcodes versehen in Regalen. Diese entsprechen auch den Strukturen der Jahrespläne. Um einzelnen SuS, die mehr Struktur benötigen, ebenfalls eine Teilhabe am SegeLn zu ermöglichen, wurden zudem individuelle Lösungen wie eigene Ablageorte für Materialien bzw. rollbare Materialboxen gefunden. Die Erstklässler:innen werden derzeit von den älteren SuS in das SegeLn eingeführt. Am Ende der Selbstlernzeit erfolgt eine Reflexionsphase, in der gemeinsam Lernerfolge und Schwierigkeiten reflektiert werden. Alle Materialien sind für den Förderschwerpunkt Sehen adaptiert. Analoge Materialien zeichnen sich durch passende Schriftgröße, Kontrast und möglichst wenig Ablenkung aus. Um den Bedarfen der SuS mit Blindheit gerecht zu werden, sind viele der Materialien in Braille vorhanden, weitere werden noch erstellt. Viele Spiele sind taktil adaptiert. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass alle SuS, egal ob sehend oder blind, mit erschließbarem Material an denselben Aufgaben arbeiten können. Das Material ist möglichst selbsterklärend und fördert ganzheitlich, sodass die SuS mit Kopf, Herz und Hand Inhalte erschließen und Kompetenzen ausbauen. Hierfür werden auch die schuleigenen iPads verwendet. Auch die blinden SuS der Primarstufe lernen, die iPads mithilfe der Sprachausgabe zu bedienen, was neben allgemeiner Medienkompetenz wichtige Hilfsmittelkompetenzen für ihre zukünftige Teilhabe und den Zugang zu Informationen vermittelt. Mit dem „SuS helfen SuS“-Prinzip wirkt die SuSsprache bei den Hilfesuchenden und der Tutoreneffekt führt zu einer Internalisierung der Kompetenzen und des Wissens bei den Erklärenden. Um den Lernenden mit Blindheit größtmögliche Selbständigkeit und dadurch Teilhabe zu ermöglichen, wurde eine eigene Struktur und ein Regal eingerichtet, in dem sie alles Benötigte finden können. Unsere Beobachtung zeigt, dass das SegeLn den SuS bereits jetzt schon vieles ermöglicht, was sie zu einer gelingenden gesellschaftlichen Teilhabe benötigen.
- Selbständigkeit durch eigene Auswahl und Strukturierung des Lernprozesses
- Selbsteinschätzung durch regelmäßige Reflexionsphasen mit einer Lehrkraft
- Verantwortung für das eigene Lernen und das Material
- Sozialkompetenzen durch gegenseitige Unterstützung
- Umgang mit der eigenen Sehbeeinträchtigung durch Auswahl eines geeigneten Arbeitsplatzes und ggf. des Hilfsmittels
- hohe Motivation und Zufriedenheit durch größere Freiheit.
Zur zunehmend selbständiger Auswahl von Inhalten bedarf es Impulse, die sich die SuS holen können. Zukünftig sollen die erreichten Ziele intensiviert werden. Weitere Strukturen fordern die SuS jedoch heraus und werden nach und nach eingeführt. Die Moderation des SegeLns wird um die Moderation der Reflexionsphase erweitert werden und die Qualität der individuellen Selbstreflexion soll verbessert werden, indem die SuS lernen, sprachlich versierter zu reflektieren. Der Überblick der SuS über die Jahresarbeitspläne wird noch vertieft und somit die langfristige Verantwortung für das eigene Lernen den SuS deutlich. Der Raumwechsel für blinde SuS mit ihrem aufwändigen Equipment soll leichter gestaltet werden. In der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Schulträger werden wir SuScaddys für diese SuSgruppe einführen, sodass sie die Punktschriftmaschine und das weitere Material mit einer Hand hinter sich hergezogen und mit der anderen Hand per Blindenstock den Weg ertastet werden kann. Für uns und den Schulträger haben wir ein Raumkonzept geschrieben, welches die Aspekte und Anforderungen zu mehrfunktionalen Räumen im Sinne der Schule der Zukunft unter dem Aspekt der Sehbeeinträchtigung vereint. Hierzu wünschen wir uns modernes und flexibel nutzbares Material, welches nicht nur den Sozialformwechsel, den Positionenwechsel und die technischen Herausforderungen, sondern auch die verschiedenen Sehbeeinträchtigungen berücksichtigt. Nach und nach wird der zeitliche Umfang der SegeLn-Stunden auf ca. ein Drittel der Unterrichtszeit erweitert.
Was wir anderen mitgeben wollen und für den Schlüssel unseres Erfolges halten, ist die geduldige schrittweise Einführung, die bei uns schnell zu den immensen Teilerfolgen (siehe Evaluation) führte, wenn das Konzept mit den Faktoren Arbeitsorganisation, Material, (Class)roommanagement, Räume, stimmig ist. Das motiviert uns weiter zu machen und unser Ziel konsequent zu verfolgen.